Interview: Wie brotlos ist die Kunst von heute?

Kunstausstellung „Blind Date“
Ausstellung: vom 25.11.2017 bis 31.12.2017
im Boutiquehotel Goldene Rose
Spitalgasse 28, 91541 Rothenburg

Mit „Blind Date“ kommt eine moderne Ausstellung in die alte Stadt Rothenburg ob der Tauber. Wir haben diese Veranstaltung zum Anlass genommen, die Künstlerin Christa Jäger-Schrödl zum Thema: „Kunst – was ist das und lohnt es sich auch“ zu befragen.

Wenn man bedenkt, dass Picassos „Nude, Green Leaves and Bust“ im Februar 2010 für 106 Millionen Dollar versteigert wurde, ist man versucht zu glauben, das Ein- und Auskommen von Künstlern sei bemerkenswert.

Wie lebt es sich mit und von der Kunst?

Christa Jäger-Schrödl: „Wie ich kürzlich gelesen habe, sind es gerade einmal fünf Prozent aller Künstler in Deutschland, die von ihrem Schaffen leben können. Aber – das war schon früher so. Paul Gauguin beispielsweise verdiente sein Geld als Bauingenieur und der Surrealist Jean Dubuffet verkaufte Wein. Da bin ich doch mit meiner kleinen PR-Agentur in richtig guter Gesellschaft. Ich verdiene mein Geld mit Öffentlichkeitsarbeit und leiste mir zum Ausgleich meine Kunst.“

Verändert die Kunst unsere Gesellschaft oder ist es umgekehrt und das gesellschaftliche Geschehen beeinflusst die Kunst?

Christa Jäger-Schrödl: „Schon durch meinen Hauptberuf als Journalistin und Autorin lebe ich aufmerksam. Die aktuelle Tagespolitik, wissenschaftliche Erkenntnisse, Trends – alles um mich herum beeinflusst natürlich die Aussagkraft meiner Bilder. Ich glaube, das ist bei den meisten Künstlern sehr ähnlich. Ihre persönliche Weltsicht spiegelt sich in den Darstellungen wider und bestimmt, zumindest bei mir, die Wahl von Farbe und Material. Jedes neue Bild muss erst einmal mich selbst zufrieden stellen – und das ist gar nicht so einfach.

Die ‚moderne Kunst‘ heute hat meiner Meinung nach keine besondere Aufgabe – sie muss weder belehren, erziehen noch die Welt verändern. Trotzdem kann sie dem einzelnen Betrachter und Kunstliebhaber viel geben und bewirkt bei dem einen oder anderen sicher auch eine Veränderung. Ich glaube aber nicht, dass Kunst die Gesellschaft verändert.“

Joseph Beuys hat einmal gesagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Was verstehen Sie unter Kunst?

Christa Jäger-Schrödl: „Das ist keine einfache Frage. So mancher Verfechter von Harmonie und Ausgewogenheit spricht abstrakten, modernen Mal- und Darstellungsformen jegliche Kunst ab. Es mangle den modernen Künstlern an der Technik, dem Handwerk und den strengen Regeln des Bildaufbaus. Ich sehe es anders. Meiner Meinung nach liegt die Kunst im Auge des Betrachters. Was zum Nachdenken anregt, uns einfach erstaunt innehalten lässt und Augen und Geist anspricht, das ist Kunst für mich. Das Nachdenken und Suchen, ein Hinauswagen und Ausprobieren, alles was zu einer kreativen Lösung beiträgt, ist künstlerisch. Und jeder, der das Besondere in unserer Welt wahrnimmt, hat das Auge eines Künstlers.“

Warum macht man eine Ausstellung wie „Blind Date“ in einer Kleinstadt wie Rothenburg?

Christa Jäger-Schrödl (links auf dem Foto neben Marion Beugler): „Ich habe keine großen Erwartungen im Vorfeld und freue mich einfach darüber, erstmals in meiner Geburtsstadt auszustellen. Das ist ein kleines ‚Hallo, ich bin wieder da!‘ Die Idee kam Marion Beugler vom Boutiquehotel Goldene Rose, als wir uns auf einer Vernissage des Rothenburger Künstlervereins trafen. Noch an diesem Abend beschlossen wir, meine Ausstellung in die schönen alten Mauern ihres Hotels zu holen. Das Haus wurde 1778 erbaut und mit viel Liebe modernisiert. Heute ist es ein kleines Juwel in der Altstadt von Rothenburg ob der Tauber. Dass nun auch die Kunst in die ‚Goldene Rose‘ einzieht, ist neu in der Hotelgeschichte und Marion Beugler plant wechselnde Ausstellungen mit heimischen und internationalen Künstlern.“

Was hat es damit auf sich, dass auch blinde Menschen zu Ihren Ausstellungen willkommen sind?

Christa Jäger-Schrödl: „Bei einer Ausstellung in Erding bat mich ein blinder, junger Mann, meine Bilder ertasten zu dürfen. Mit den Fingern beider Hände erkundete er die Strukturen und immer, wenn er etwas Bekanntes oder Unerwartetes ertastete, zauberte das ein Lächeln in sein Gesicht. Heute schütze ich meine Bilder mit einer besonderen Firniss und lade explizit auch blinde und sehbehinderte Menschen ein, meine Ausstellung zu erleben. Ich habe viel Neues in meiner eigenen Kunst durch das Ertasten entdeckt. Das hat mich inspiriert heute vermehrt darauf zu achten, wie sich meine Bilder anfühlen.“

Man darf sich auf eine ungewöhnliche Ausstellung freuen. Einen ersten Eindruck erhält man auf der Atelier-Homepage: http://www.atelier-cj.de

* Der Abdruck ist frei. Wir bitten um ein Belegexemplar.


Kurzinfo:

Schon seit vielen Jahren zeigt die fränkische Künstlerin Christa Jäger-Schrödl ihre großformatigen Werke auf Ausstellungen und im Internet. Die grafische Begabung wurde bereits im Kindesalter gefördert. Nach der FOS Gestaltung übte sie sich während des Architekturstudiums im Abstrahieren.  Einige Jahre später entwickelte sie in einer Werbeagentur mit unterschiedlichsten Farben, Lacken und Materialien ihre ganz eigene Technik. Heute braucht die PR-Frau die künstlerische Arbeit zum Ausgleich und Stressabbau. In ihren Bildern, die man größtenteils als Collagen bezeichnen könnte, prägen Strukturen die Bildhöhepunkte. Das verleiht ihnen eine erstaunliche Tiefe, die man auch erfühlen kann.

Kunst ist schön – macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)

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