„Jeder Mensch ist ein Künstler“ heißt es in dem berühmten Gedicht des unvergessenen Aktionskünstlers Joseph Beuys. Beuys forderte dazu auf, wieder verspielt und neugierig, frei und verwegen wie ein Kind zu werden. Dann würde auch jeder Erwachsene den Künstler in sich entdecken. Doch weshalb so lange warten? Warum nicht gleich bei den unverfälschten Impulsen unserer Jüngsten ansetzen und von ihnen lernen? „Die Kinder sind die besten Lehrmeister, die man wählen kann“, wusste bereits Johann Wolfgang von Goethe. So sieht es auch die Freie Schule Glonntal, die sich dafür engagiert, dass Kinder und Jugendliche zu echten (Lebens)Künstlern heranreifen. Im Aktionskunstwerk „Schmetterlingserwachen“ begegnen sie sich und den Erwachsenen auch dieses Jahr wieder spielerisch und doch authentisch
Künstlerisches Schaffen liegt im Trend. Sogar das Management hat die Kunst entdeckt: Als Imagefaktor und Führungsinstrument, zur Steigerung der Kreativität, zur Verbesserung des sozialen Miteinanders. Einer der Vorreiter: Die wirtschaftlich und personell sehr erfolgreiche Drogeriemarktkette dm. Sie nutzt die Kunst zur Qualifizierung und Entwicklung ihrer europaweit rund 50.000 Mitarbeiter, arrangiert Museums-Kooperationen, integriert Theaterworkshops in die Berufsausbildung und bereichert Meetings und Seminare durch künstlerische Elemente. Hinter dem außergewöhnlichen Engagement steht die Überzeugung, dass der Umgang mit Kunst jeden Menschen zu mehr Selbstbewusstsein verhilft, indem er ihn zu stärkerer Authentizität und Selbstständigkeit beflügelt.
Hier zeigt sich, dass sich durch persönlich erlebte Kunstprozesse sehr viel mehr erreichen lässt als durch angestrengte Wissensvermittlung. Leider bilden die meisten Schulen Kinder und Jugendliche vorwiegend nach Arbeitsmarktgesichtspunkten aus. Die zentrale Frage „Wer bin ich?“ wird zugunsten eines „Was ist gefragt, was zahlt sich aus?“ verdrängt. Wenn nützliche Ressourcen mehr zählen als menschliche Individualität, wundert es nicht, wenn sich im späteren Berufsleben Unlust, Misserfolge oder sogar ein Burnout bemerkbar machen. Wie wäre es also, Menschen nicht erst im Arbeitsumfeld, sondern bereits in der Schule über die Kunst zur Lebenskunst zu führen? Sie bereits in jungen Jahren erspüren zu lassen, was sie ausmacht, wo ihre besonderen Fähigkeiten liegen? Einen wirkungsvollen Ansatz zeigt hier schon seit Jahren die Freie Schule Glonntal im Landkreis Ebersberg bei München. Seit letztem Sommer hat sich ihre ganzheitliche, weit über den Schulalltag hinausgehende Herangehensweise zu einem Aktionskunstwerk, der „Imagonharfe“ entwickelt. Schulleiter Hartmut Lüling erklärt dies so: „Die Imagonharfe versteht sich als imaginäres Instrument, dessen ‚Saiten‘ die Begabungen der Mitspieler – Schüler, Eltern, Freunde und Verwandte – sind. ‚Resonanzboden‘ und ‚Klangkörper‘ stellen alle interessierten Zeitgenossen dar. Somit gibt es keine Zuschauer, sondern nur Akteure. Die Aktionskunst ist inzwischen fester Bestandteil des Programminventars unserer Schule.“ In diesem Jahr beginnt die Harfe ihr Spiel mit dem „Schmetterlingserwachen“. Der Kulturevent wird dann im Münchner Herkulessaal, der Platz für 1.200 Zuschauer bietet, seinen sommerlichen Höhepunkt finden.
Lernlust statt Schulfrust.
Lebendige Erfahrungen fürs Leben erschließen, schöpferische Lernprozesse statt drögem Pauken ermöglichen – Schule kann so viel mehr. Sie kann der nährende Boden sein für das kostbarste Saatgut, das wir haben: junge Menschen mit zukunftsweisenden, oft noch verborgenen Talenten und Fähigkeiten. „Was gibt es Schöneres und Sinnvolleres, als der heranwachsenden Generation einen sicheren Raum zum Erblühen und Gedeihen ihrer noch unbewussten Begabungen zu bieten – und gleichzeitig mit ihnen gemeinsam das Erwachen und Wachsen zu erwirken“, so Hartmut Lüling weiter. „Schule bekommt in diesem Sinne eine viel größere Bedeutung für die Gesellschaft, als wir es bisher gewohnt sind.“ Die Glonntal-Schule begreift sich als „Raum für Vermögensbildung“, wenn man bereit ist, Begabungen und Talente als das eigentliche Vermögen des Individuums wahr zu nehmen. Es gilt, die Besonderheiten jedes Schülers zu erkennen und ihm eine abwechslungsreiche Palette authentischer Erfahrungen zu ermöglichen, die in lebendiger Begegnung mit anderen gipfelt. Dabei sehen die „Bildungskünstler“ der Glonntalschule ihre Art der Aktionskunst als einen Initiativbeitrag zum allgemeinen Ringen um die dringend nötige Erneuerung der Bildungskultur. „Schule muss Quelle der menschlichen Kultur sein! Die umfassende Bildung der menschlichen Begabungen aller und deren Entfaltung im Familien- und Berufsleben muss zur Selbstverständlichkeit werden“, meint Schulleiter Lüling. Es liege im Wesen der Sache, dass sich nicht nur SchülerInnen und Eltern an den Projekten der Glonntalschule beteiligen könnten, sondern alle, die an dieser Art der „Vermögensbildung“ mitwirken möchten. „Natürlich gehört auch ein wenig Mut und Courage dazu, ‚Bildung in Bewegung‘ zu leben und zu erleben. Wir freuen uns über alle Anfragen!“
Doch wie sieht so etwas in der Praxis aus?
Lassen sich Potenziale sichtbar und begreifbar machen?
„Eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten, um nicht nur jungen Menschen zu helfen, in ihr authentisches, erwachsenes Selbst zu finden, liegt in der ‚Kunstfertigkeit‘, soziale, generationsübergreifende Initiativräume frei entstehen zu lassen“, meint Hartmut Lüling, „künstlerische Prozesse verlangen sowohl die Verfeinerung der eigenen Erfahrungsmöglichkeiten als auch geistesgegenwärtige Handeln aus der Situation heraus. Der Mensch trägt alles Wesentliche in sich, um sich individuell zu entfalten und sich gleich einem Schmetterling Stufe für Stufe zu entpuppen“. Der Prozess des „Schmetterlingserwachens“ habe keimhaft schon zu Beginn des Schuljahres begonnen und erfahre dann auf der Bühne des Herkulessaals durch die künstlerische Darstellung in ihrer ganzen Dramaturgie seinen Höhepunkt. Mit ihrer Kulturarbeit setzt die Schule immer neue Impulse, die die zentrale, gesellschaftliche Bedeutung einer verantwortungsvoll gelebten Bildungskultur betonen.
In das diesjährige Bühnenstück „Schmetterlingserwachen – die Kunst Begabungen zu entfalten“ wird auch der künstlerische Schulabschlusses der 12. Klasse mit eingewoben. Die Schülerinnen und Schüler der obersten Klasse geben durch ihre individuellen Choreographien dem eigenen Entwicklungsprozess und Selbstausdruck Raum. In breiter Vielfalt präsentieren sie ihre Kompetenz, das Leben zu ergreifen und nach eigenen Erkenntnissen und Fähigkeiten kreativ zu gestalten. In das Stück fließen die tiefen Begegnungen der Kinder und Jugendlichen mit Menschen verschiedenster Kulturen und gesellschaftlichen Lebensbereichen ein, die sie über die Jahre ihrer Schullaufbahn an der Freien Schule Glonntal erlebt haben und aktuell erleben. Das Ziel sei, auch in Zukunft immer mehr Menschen in das „Spiel der Imagonharfe“ einzubinden. Menschen, die durch ihre persönlichen Lebenssituationen kaum Entfaltungsmöglichkeiten haben und ihre eigenen Begabungen nicht leben können, Menschen auf der Flucht und ohne Heimat, kranke und alte Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung. Die gesamte Bühnenpräsentation führt so zahlreiche musikalische und choreographische Einzelprojekte mit diesem Erfahrungshintergrund zusammen.
Befähigung zu einem menschlich und beruflich kompetent gelebten Leben.
„Unsere Schule möchte weit hinausgehen über die ausgetretenen Pfade der üblichen Wissensvermittlung“, erklärt Harmut Lüling „wir erkennen unsere Aufgabe in der Befähigung zu einem sowohl menschlich als auch beruflich kompetent gelebten Leben. Dazu gehört das Vermögen, sich selbst in der Begegnung mit anderen ein Stück weit finden zu können, in den Begegnungen zwischen Menschen aller Kulturen, aber auch in der unmittelbaren Naturerfahrung. Es gehört aber auch Mut dazu, sich auf neue Lebens- und Berufsbedingungen einlassen zu können. Von all dem erzählt bzw. spielt die Harfe, all das macht die gemeinsame Aktionskunst unserer Schüler, Eltern, Lehrer und Mitspieler sichtbar, hörbar, erlebbar. Die Anstrengungen der Proben und die Freude am gemeinsamen Arbeiten bringen alle Mitwirkenden ein Stück weiter auf ihrem Weg“.
Das Bühnenkunstwerk „Schmetterlingserwachen – die Kunst Begabungen zu entfalten“ präsentiert sich in 4 Akten und wird am 27. Juli 2015 im Münchner Herkulessaal aufgeführt. Die Premiere ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Gründung der Imagonstiftung, deren Bestreben es sein wird, möglichst vielen Menschen – sowohl Kindern, Jugendlichen als auch Erwachsenen – ihre noch verborgenen Begabungen zugänglich zu machen.
Weitere Infos finden Sie unter: www.freie-schule-glonntal.de und www.imagonharfe.de
*Der Abdruck ist frei. Wir bitten um ein Belegexemplar.
Kurzportrait: Freie Schule Glonntal
2007 wurde die Freie Schule Glonntal mit großer Einsatzbereitschaft von Lehrern, Eltern und Schülern gegründet. Sie ist eine private offene Ganztagesschule mit integrativem Ansatz und einheitlichem Bildungsgang von der 1. bis zur 12. Klasse, wie Grundschule und Gymnasium mit anschließendem Abitur oder Mittlerer Reife Prüfung.
Zugrunde liegt der staatlich genehmigte Lehrplan der Waldorfschulen. Das pädagogische Konzept wurde allerdings erheblich erweitert, um eine vertiefte Erlebnispädagogik, sowie Kunst und einer ganzheitlichen Naturwissenschaft als zentrales Anliegen. Die Schule steht unter Leitung von Hartmut Lüling, einem Erlebnispädagogen und Lehrer aus Leidenschaft.
Auf Grund ihrer vielfältigen gesundenden und integrativen Aspekte bietet die Schule nachhaltige Möglichkeiten, Kinder und Jungendliche in besonderen Lebenssituationen zu integrieren. Die Höhe des Schulgeldes wird im Gespräch mit den Eltern individuell ermittelt und nach finanziellen Möglichkeiten festgelegt.
Mehr Infos dazu: www.freie-schule-glonntal.de